(Pressemitteilung https://ruhrgebietskonferenz-pflege.de vom 28.4.2023)
Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst droht zu einer existenziellen Bedrohung der Langzeitpflege zu werden. Die Kostenträger vertreten die Rechtsauffassung, dass die gerade vereinbarte „Inflationsausgleichszahlung“ nicht vergütungsrelevant ist. Damit dürfen die anstehenden Auszahlungen an die Beschäftigten nicht in die Punktwerte bzw. Pflegesätze eingerechnet werden. Die 3.000 Euro steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichszahlung müssten demnach von den Unternehmen ohne Refinanzierungsanspruch selber getragen werden. Das führt zu einer weiteren Verschärfung der wirtschaftlichen Situation vieler Pflegeunternehmen. Es droht eine Insolvenzwelle.
Viele haben die Tarifvereinbarung im öffentlichen Dienst mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Erst jetzt wird so langsam klar, welche möglichen katastrophalen Auswirkungen mit dem Abschluss verbunden sein könnten. Aus einem eiligst beauftragten Rechtsgutachten leiten Landschaftsverbände und Krankenkassen ab, dass die Inflationsausgleichzahlung nicht über Pflegesätze zu refinanzieren ist. Bislang gilt der Abschluss nur für die kommunalen Unternehmen. Es wird aber so sein, dass absehbar die unter anderem weit verbreiteten kirchlichen Tarife das Regelwerk aus dem öffentlichen Dienst von Bund und den Kommunen übernehmen werden. „Für uns, mit den rund 1.200 Beschäftigten in unseren Einrichtungen, bedeutet das eine Mehrbelastung von 3,6 Million Euro, die wir nicht refinanziert bekommen werden“ beziffert Ulrich Christofczik, Vorstand des Christophoruswerkes und Geschäftsführer der Evangelischen Altenhilfe Duisburg die konkreten Konsequenzen. Der Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege wird deutlich: „Wenn das so kommt, können wir dicht machen. Wir fragen uns inzwischen, ob hinter all den Zumutungen gegenüber der Pflege eine perfide Strategie steckt oder ob es sich einfach nur um politischen Dilettantismus handelt.“
Für Roland Weigel, Koordinator der Ruhrgebietskonferenz-Pflege, ist der gesamte Vorgang ein weiterer Beleg für die fehlende Einsicht in die Umstände, die gerade zu einer massiven Gefährdung der Versorgungssicherheit in der Pflege führen: „Wir kommen gerade aus Corona, Inflation und einer unglaublichen Krankheitswelle mit nicht refinanzierter Leiharbeit. Da sind keine Reserven mehr, um jetzt noch aus eigener Tasche einen Inflationsausgleich zu bezahlen. Pflege ist längst über dem Limit.“
Scheinbar sickert es bei den Verantwortlichen erst so langsam durch, welche Konsequenzen da auf die Pflege zukommen. „Es ist halt eben nicht wie in der freien Marktwirtschaft, wo eine Kostensteigerung an die Kunden über die Preisschilder an den Regalen weitergeben werden kann. Aldi kann die Milch mal eben um 3 Cent teurer machen, wenn die Gehälter steigen. Wir können das nicht“, beschreibt Martina Pollert, Geschäftsführerin der Diakoniestationen in Essen, mit einem einfachen Bild die entstehende Schieflage. In der Pflege müssen die Unternehmen mit den Kostenträgern Vereinbarungen auf der Grundlage bestehender Sozialgesetze abschließen. Diese Zusammenhänge sind den Verhandlungspartnern im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes entweder nicht bewusst gewesen oder sie haben diese Zuspitzung billigend in Kauf genommen. „Wenn das nicht zeitnah geklärt wird, können die Herrschaften von den Verhandlungstischen und den Kostenträgern schon einmal zu uns in die Einrichtungen kommen, um die Bewohnerinnen und Bewohner zu versorgen“, macht Ulrich Christofczik seinem Unmut Luft.
Die Unternehmen der Ruhrgebietskonferenz-Pflege erwarten eine zeitnahe Lösung von der Politik und den Kostenträgern. Im Juli stehen laut Tarifvertrag die ersten Auszahlungen an. Wir bleiben dran!